Er darf das – denn er war 1. noch nie der positivste aller Musiker und 2. arbeitet er nun schon geraume Zeit an der Trilogie zur Verarbeitung der Familientragödie um seinen Sohn, der bei einem Absturz ums Leben kam. So erscheint nun Teil 3 der Verarbeitungs-Serie zu diesem Thema – „Ghosteen“.

Alle Rechte: 2019 Ghosteen Ltd – Nick Cave & The Bad Seeds – Ghosteen – 2019/Vinyl/LPx2 – BS016LP – Genre: Electronic, Pop – Style: Experimental, Ambient

Wie das zu mir kam

Musikfan – da bleibt eine Begegnung mit Nick Cave in all den Jahren nicht aus. Teils in Phasen die man selbst als schwierig empfand – teils weil er so gegen den Mainstream arbeitete. Das passte immer wieder mal in die eigene Welt. Und hin und wieder bedurfte es auch einer Freundin mit dem Sinn für das Melancholische im Leben um darauf gestoßen zu werden. Er begleitet mich jedenfalls schon sehr lange und wird dies auch noch weiter tun.

Was es zu sagen gibt

Nicht dass sich nicht schon Myriaden von Cave-Chronisten und Kritiker an einer Deutung versucht hätten, was kann ich da beitragen, außer einer persönlichen Meinung die wahrscheinlich nicht viel Gewicht haben wird? Ich beschränke mich auf ein paar Anmerkungen zum Release selbst.

Alle Rechte: 2019 Ghosteen Ltd

Das Cover ist die Antithese zu „Skeleton Tree“, welches außer einem grünlichen Computer-Schriftzug auf Schwarz gar nichts visuelles bot. Hier haben wir es geradezu mit einem opulent kitschigen Motiv zu tun, bei welchem verschiedenste Tiere in einer Art Garten Eden friedlich koexistieren. Von allen Artworks erinnert mich maximal noch die „Murder Ballads“ vom Look her daran, aber so bunt war es vorher noch nie. Ebenfalls bemerkenswert (weil inzwischen selten) die Innenhüllen. Sie sind bedruckt, mit den Titeln/Texten, und trotzdem gefüttert. 

Angenehm finde ich die generelle Veröffentlichungspolitik was das Vinyl angeht. Eine 2xLP für EU/USA – Schwarz. Fertig. Keine 16 Farben die gerade angesagt wären und auch keine Sondereditionen die man nur kaufen kann wenn man schon Nicks Vater kannte und einen geheimen Code vom Grabstein neben dem seines Sohnes abliest. Sicher werden noch ein paar Special-Interest-Anbieter nachziehen, aber wer die LP jetzt normal im Handel kauft hat die Erstpressung und gut. In welcher Auflage ein Album wie dieses inzwischen erscheint wäre sicher interessant zu wissen – ebenso ob ein Presswerk alleine den Aufwand dafür noch stemmt. Online findet sich nur Optimal Media als Angabe. Das Werk ist also „Made In Germany“. 😉

Wie sich das anhört

nick cave ghosteen
Alle Rechte: 2019 Ghosteen Ltd

Die Instrumentierung ist spärlich, meist ohne Beat oder markante Gitarren. Flächen, Synths, Streicher, Pianos. Man mäandert mit den Figuren durch Erinnerungen, Orte und Gefühlswelten – für Nick Cave schon sehr elektronisch. Seine häufigen Kooperationen mit Warren Ellis scheinen hier seine Instrument-Vorlieben zu beeinflussen. Die Stimme kippt recht häufig in hohe Tonlagen. Dies könnte manchen missfallen, aber es passt einfach und ist daher zwar ungewohnt aber nicht störend – Nick Cave kann eben singen. Merkste selber, wa?

Subjektive Meinungen schwanken stark – von „langweiligstes Cave-Album ever“ bis „es ist gottgleich, mehr als Musik und meine Rettung vor allem was in TELE5 läuft“ findet sich ein breites Spektrum aus dem man sich selbst bedienen kann. Sicher ist für mein Empfinden, dass es eine hypnotische Wirkung hat, aber eben keinen „Hit“ bietet. Jetzt doch nochmal ein wenig romantisch werden:
Es legt sich um Dich wie eine geliebte, nicht sehr saubere und ein wenig kaputte Decke, die aber immer nach all dem duftet was Deine Erinnerung ausmacht. Wenn Du durch bist, dann ist der letzte Teil der Trilogie über Dich hinweggeflutet – man steht auf und fühlt sich eigentlich irgendwie gut. Ab jetzt ist wieder alles möglich…

Nun war es noch nie so, dass man Nick Cave beim Kindergeburtstag der 6 jährigen Tochter zur allgemeinen Aufhellung der Stimmung aufgelegt hat. Aber auch dieses Werk ist wieder sehr „dunkel“ in seiner gesamten Anmutung. Wie sehr es runterzieht muss man selbst hören. Wenn man ein Liebhaber der älteren Werke ist, dann vermisst man die liebevollen Songs, denn „Ghosteen“ löst sich von der Songstruktur doch stark – geht auf in einer ordentlichen Portion Drone und Rezitat.

4CCave

Soundtechnisch gibt es nichts zu meckern, die (meine) Pressung ist flat, sauber und bietet keinerlei Anlass zur Kritik. Allerdings auch keine besonderen Highlights die mir (beim bislang ca. 3 maligen hören) aufgefallen wären. Im Web-Dschungel gibt es aber natürlich auch schon wieder die üblichen Katastrophenmeldungen über verhunzte Kopien und falsche Verpackung. Der Download bietet 320 kbps Qualität – kein Anlass zur Kritik.

Nicht so analoge Links

– Es werden unter Umständen persönliche Daten übertragen –

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7,25

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08 _von 10 __._.__ Musik

07 _von 10 __._.__ Pressung

06 _von 10 __._.__ Edition

Humbug! Wie entstehen diese Werte?

Steff4nlgmusic

2 KOMMENTARE

  1. Ich mag deine Berichterstattung und deine Art zu schreiben. Ich hatte mir das Album am Tag der Veröffentlichung direkt über mein Apple Musik Abo angehört und fand es ziemlich verstörend. Dein Kindergeburtstagsvergleich trifft es recht gut, nur wann sollte man sich so ein Album am besten anhören? Bist du gut gelaunt zieht es dich vielleicht nur runter, stehst du kurz vorm Selbstmord, wird es dich auch nicht davon abhalten^^ Gut das ich es nicht Bewerten muss.

    • Hi trespuntos,
      Nick Cave war, und ist, schon immer für die Einen der Inbegriff von Melancholie und einer guten Tasse Tee an einem Herbsttag ohne weitere Termine, für die Anderen der Soundtrack zu Ihrer Beerdigung.
      Aber dass die Musik so unterschiedliche Assoziationen hervorruft ist ja gerade eine der Stärken. Ich finde kaum ein anderer Künstler kann diese echten Emotionen so in seiner Musik zum Ausdruck bringen.
      Ich empfehle die Deluxe Version von „Push The Sky Away“ zu lauschen, da performt Nick Cave die Songs des auch in diesen „Vearbeitungszyklus“ gehörenden Albums sehr akustisch und intim Live (nur bei der Deluxe ist der Bonus-Part „Live from KCRW“ dabei…); sehr gute Aufnahmen – und genau dabei springt dieser andere Funke meiner Meinung nach über.
      Die Songs wirken irgendwie „hoffnungsvoll“ und die Schwere der Studioproduktion geht teilweise ganz verloren.

      Steff

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