Das große Licht-Event in Frankfurt fällt 2020 aus – dank mikroskopisch kleiner Erreger auf Europa-Tournee. Noch jemand tourte durch die EU, um in Frankfurt ein Konzert zu geben: Den Sorte Skole – REFRAKTO sollte aufgeführt werden. Doch eben jener kleine Erreger machte einen Strich durch die Rechnung. Durch die gesamte Rechnung? Nein, ein kleines Event-Team leistete beharrlich Widerstand gegen diese Absage. Zum Glück.

Den Sorte Skole – REFRAKTO – Startet

St. Katharinenkirche Frankfurt
Location – St. Katahrinenkirche an der Frankfurter Hauptwache
Foto: Stefan Daut (2020)

Da ohnehin alle anwesend waren und die Technik plus Organisation schon stand, entschlossen sich die Kreativen am 13. März, das Stück als private Aufführung und zu Dokumentationszwecken einmalig zu realisieren. „REFRAKTO“ heißt es und es beschäftigt sich mit dem Spannungsfeldern zwischen Glauben und Realismus – Vokalismus und Industrialismus – Tradition und Umbrüchen. Nicht ohne Kanten und Ecken. Und damit Brechung – ganz wie der Titel es impliziert. Die Installation aus Musik und Licht greift den Kirchenraum dabei aktiv auf und bezieht die Elemente in die visuellen Effekte ein.

Die kreativen Köpfe hinter dem Projekt sind Simon Dokkedal und Martin Højland von Den Sorte Skole – diesmal tatkräftig und tonal gewaltig unterstützt vom Organisten Prof. Martin Lücker und den visuellen Lichtmeistern von Vertigo. Das Konzept der Darbietung schreibt ihren eingeschlagenen musikalischen Weg weiter – „Crossover“ bekommt hier für mich als musikalisches Genre eine neue Dimension. Wie das schon zuvor auch bei „Lektion III“ und „Indians And Cowboys“ der Fall war.

Vertikal von unten

REFRAKTO startet
Es startet tief unten und läuft langsam hoch
Foto: Stefan Daut (2020)

Das Werk ist (so habe ich es erlebt) in drei grundlegende Parts aufgeteilt. Die Orgel startet und gibt den Ton im – mit leichtem Dunst gefluteten – Kirchenschiff vor. Sie holt uns mit ihren tiefen Flächen ab und beginnt die Reise. Alles fließt hier von unten nach oben. Langsam werden die verschiedenen LED-Elemente in die Komposition einbezogen.

Beim Aufbau des Themas wird auch vor echten Noise- und Industrial-Sounds nicht zurückgeschreckt, mit einer Bass-Gewalt, die ich so in einem Raum dieser Größe nicht direkt erwartet habe. In diesem Part machen sie ihrem übersetzten Namen „Die schwarze Schule“ alle Ehre – eine fette Portion Düsternis kann man ihnen nicht absprechen. Bei einem Plausch mit Martin habe ich erfahren, dass sogar ein guter Teil des Reproduktions-Equipments im Truck geblieben ist – da wäre theoretisch noch mehr gegangen. Herrlich.

Fantastisches Farb-Flirren
Foto: Stefan Daut (2020)

Ein zentraler Pfeiler und ein stilisiertes Kreuz bilden über den Bedienpulten von Simon und Martin die zentralen optischen Elemente. Und dutzende/viele/verdammt zahlreiche LED-Leuchtstäbe sorgen für eine Konzentration der vertikalen Ebene. Der Einsatz von Laser bricht das strenge Layout dann ab einem bestimmten Punkt auf und öffnet den gesamten Raum der Kirche für Diagonalen.

Das Konzept ist nicht völlig neu: Schon 2018 bei der Inszenierung von „Ghosts + Robots“ wurde auf ein optisches Konzept gesetzt, welches hier – in einer auf die Räumlichkeit angepassten Version neu gedacht – zum Einsatz kommt. Die Kreativen vom Künstlerkollektiv Vertigo in Dänemark zeichnen für diese Lichtinstallation verantwortlich.

Raumbruch

Lasershow im Kirchenschiff
Das Kirchenschiff wird zur Leinwand
Foto: Stefan Daut (2020)

Im Mittelteil ist es Zeit für den Einsatz der Lasertechnik – hier wird die Brücke geschlagen zu den verschiedensten Kulturen und Glaubensrichtungen, was sich in der Farbgebung teils widerspiegelt, teils konterkariert wird. „Glaube“ spielt in allen Kulturen eine zentrale Rolle – quer durch Köpfe, Zeiten und Zivilisationen.

Der Raum des Kirchenschiffs wird einbezogen und dient als Projektionsfläche. Die Vielfalt an Stimmen ist hier maximal und verwirrend vielfältig. Man muss den Blick oft heben um die Wirkung zu erfassen – nur um ihn dann wieder zu senken, denn das Kreuz als zentrales Element in unseren Kirchen wird nun auch zum Darsteller, mal farbig leuchtend, mal passiv umflossen von Laserlicht. Manchmal sogar als Aussteuerungs-Anzeige für eine geradezu hörende Stimme.

Refraktion – Den Sorte Skole an den Reglern

Refraktion zurück in die Vertikalen
Foto: Stefan Daut (2020)

Zurückgekehrt aus den höheren Sphären können wir dann in Teil drei langsam wieder entspannen.

Aufgreifen all jener Einflüsse passt zum mosaikartigen Kompositions-Konzept der Musiker – und damit auch in meinen Blog zu analoger Musikkultur. Den Sorte Skole holen sich ihre Stimmen, Gesänge und Sounds von Schallplatten, bereiten diese Samples auf und passen sie für ihre Gegebenheiten an. Trotz digitaler Umsetzung verstehen sich die beiden als musikalische Analogfreaks und -fans, was tatsächlich kein Widerspruch ist.

Die Tonträger versuchen sie im Original zu bekommen, was bei der gesuchten Bandbreite verschiedenste Probleme bereitet. Kontakte in alle Welt haben ihnen geholfen. Dabei ist inzwischen ein Fundus entstanden, der die verschiedensten Themen treffsicher bedienen kann und wahre Schätze an analogen Tonträgern wieder ins kulturelle Gedächtnis der Menschen holt. Eine Melange, wie sie eine simple Playlist nicht bieten kann. Und damit auch eine Art „Komposition mit der musikalischen Stimme der Welt“.

Bitte nicht verwechseln mit „Weltmusik“ – das komplexe Zusammenspiel aller Ebenen und Texturen geht weit über diese Klassifizierung hinaus. Eine akustische und visuelle Spurensuche in allen Untiefen unserer harmonischen Wurzeln – thematisch gebündelt mit den Glaubenssystemen der Welt.

Den Sorte Skole - Martin
Martin in action
Foto: Stefan Daut (2020)
Den Sorte Skole - Simon
Simon dreht an was…
Foto: Stefan Daut (2020)

So weit sind die Überschneidungen, dass man die Details nicht wirklich bei einer einmaligen Hör-Erfahrung auseinanderhalten kann. Ich habe auch einen kleinen Part aus „Lektion III“ herausgehört – ich denke es war eine Frauenstimme aus dem Track „Fai Yen“. 😀 Ein schöner Fund, bei dem ich sofort lächeln musste.

Flashed and happy

REFRAKTO ist zu Ende
Ferdsch
Foto: Stefan Daut (2020)

Ich möchte mich bedanken, dass ich diesen Abend mit Euch teilen durfte. Und dass ich die – buchstäblich einmalige – Gelegenheit hatte, das Stück akustisch und visuell zu absorbieren. Meine Netzhaut brennt immer noch ein bisschen, aber schön. Danke auch an das Team von Vertigo für den Einsatz und die Realisation. Und natürlich den Veranstalter, plus all die lokalen Helfer*innen, Organisator*innen und Technik-Nerds. Ein Genuss, allen aktuellen Widrigkeiten zum Trotz. Es folgen noch ein paar visuelle Eindrücke. Ich empfehle dazu einfach mal ein bisschen Musik von Den Sorte Skole für den Hintergrund. 😉

Den Sorte Skole – REFRAKTO – Galerie

Nicht so analoge Links

– Beim Aufruf von externen Links/Videos werden ggf. persönliche Daten übertragen. –

Zum Glück ist das Konzert auf Video festgehalten worden. So sollten auch noch andere in den Genuss der Sounds und Visuals kommen. Ich stehe mit den Jungs in Kontakt und poste das Ergebnis hier, sobald es irgendwo zu sehen ist. Wer den Blog abonniert erfährt es (wahrscheinlich), ohne sich mit lästigem Suchen aufhalten zu müssen.

Steff4nlgmusic

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