Hoch geblubbert aus den Sümpfen von Detroit und/oder Nashville: Jack White – Fear Of The Dawn nennt sich das aktuelle Album von Third Man-Mastermind und Vinyl-Universal-Genius Mr. J. White. In diesen Sümpfen kochte schon alles was sich irgendwie Schallplatte nennen darf. Wenn man zurückblickt was White alles in puncto Vinyl ausprobiert hat, dann kann man sich nur verneigen. Sein letzter riesen Coup war die Errichtung seines eigenen Presswerks (sogar mit Pressen aus Deutschland). Damit kann er noch verrücktere Sachen selbst mal eben schnell machen. Jetzt hat er wieder ein Solo-Album auf die Welt losgelassen.
Weil die Platte so fett ist, wird es diesmal etwas länger…also ein abschätziges Auge auf die SEO-Faktoren geworfen – und los geht es. Das Marketing verspricht folgendes:
True to his DIY roots, this record was recorded at White’s Third Man Studio throughout 2021, mastered by Third Man Mastering, pressed to vinyl at Third Man Pressing, and released by Third Man Records.

White hat mal wieder alles selbst gemacht – vom Gesang bis zum Schlagzeug. In seinen übrigen Projekten ist er ja auch mit den verschiedensten Instrumenten unterwegs. Das bereitet ihm scheinbar überhaupt keine Probleme. Alles hört sich nach reiner Spielfreude an. Ich weiß nicht, ob ich sein Schlagzeugspiel irgendwo als charakteristisch heraushören würde – aber hier passt alles, die Mikrofonierung, der Groove und jeder Effekt sitzt. Absolut professionell; ich verneige mich.
Es ist blau
Blau ist immer noch die Farbe für seine Solo-Alben. Dämmerung, Nacht und damit auch Nachtleben. Mr. White greift tief in die Stylo-Kiste und lässt das gesamte Artwork stringent darauf ausrichten…ein bisschen moderner Grusel gepaart mit aggressiver Schrift-Nutzung, plakativ und illustrativ. Das alles schreit mich gedämpft an und steht ein ums andere Mal Kopf. Er kommt damit auch wieder full circle zu seinem „blue room“, in welchem regelmäßig Konzerte aufgenommen werden, und wo, per Direktschnitt, auch für uns Sammler passende Endprodukte produziert werden können.

LP, Album
Third Man Records TMR-752
Pressung: Third Man Pressing Detroit
Am besten beschreibt der Web-Term „based“ das Album – im Deutschen sagen wir evtl. inzwischen dazu passend „stabil“. Jack White erfindet sich wieder einmal neu und legt außerhalb des White Stripes-Kosmos sein für mich stärkstes Album vor. Wenn Madonna die wechselhafteste Frau im Pop-Business ist, dann ist es derzeit Jack White im Rock-Zirkus.
Der Start-Track des Albums verweist dann auch ansatzlos in die Richtung in die die Reise geht. White ist es egal ob Rock tot ist – er lässt ihn einfach auf die Welt los, deutlich gereift und ohne überflüssige Diskussion – schon bei der zweiten Runde überdenke ich im Geiste einige Choreografien für die Luftgitarren-WM:
… und es kommt noch mehr
Angekündigt hat er auch schon ein weiteres Album – Entering Heaven Alive – und dieses wird der Gegenentwurf zu Fear Of The Dawn – die ruhigeren Stücke, die manch Rezensent*in im Web hier fehlen. Das analogere Equipment, eingespielt mehr live und akustisch als die stark gelayerte Variante 1. Das aktuelle Album ist eine pralle Power-Rock-Scheibe geworden. Da muss der Meister einfach einen Gang runterschalten, sonst drehen alle noch durch. Nachdem er mit Lazaretto dem totalen Vinyl-Gimmick gefrönt hatte, und mit Boarding House Reach für geteilte Meinung sorgte, ist diese Platte erstaunlich unprätentiös und huldigt eigentlich nur der Musik im allgemeinen, aber nicht mehr dem Medium als solchen.

Aufgenommen in der Corona Zeit, aber eben nicht dieses ins „ich, ganz alleine“ gekehrte Timbre, welches viele Künstler aus der Pandemie mitgebracht haben. Es hat vielmehr den Anschein, dass es bei Jack White genau anders herum gelaufen ist. Wie eine Befreiung aus der Klammer. Und daher springt Dich das Album auch aus den Boxen an, wie eine Katze die gerade beschlossen hat Dir jetzt und sofort das Fell über die Ohren zu ziehen.
Pro … und es gibt so viel Gutes!
Das Album legt richtig los – fette Beats treffen auf schneidende Gitarren. Muting und Zerhacktes streitet sich mit Blues-Rock und feisten Riffs der A-Kategorie. Erinnert mich teilweise ein wenig an Technik-Fummel wie ich sie von Buckethead kenne oder von Tom Morello.
Feine Gastauftritte – z. B. von Q-Tip (whoa!) oder mal eben schnell Bobby McFerrin rein samplen – oder, festhalten – The Manhattan Transfer. Ein wunderbares Artwork, saubere Pressung…Scheiben-Süchtiger was willst Du denn noch?
Achja, klar – analoge Produktion – ist reichlich drin! Echte Dynamik verwöhnt das Ohr, keine bis kaum Nebengeräusche machen Freude auf wiederholtes abspielen – Aaaaaber – es gibt inzwischen eine aufwendige digitale Nachbearbeitung. Jack erzählt das auch in der unten verlinkten Doku – s. Links… Es ist aber für mich so, dass er es hier beispielhaft geschafft hat diese beiden Welten bei der Aufnahme und in der Nachbearbeitung zu verknüpfen. Also eben genau die Balance zu finden um den „analogen Geist“ in der Aufnahme nicht komplett digital zu verwässern.

Contra … und es gibt fast gar nichts was stört!
Irgendwas muss ich ja sagen, oder? OK… Format-Wirrwarr à la Jack White – man ist es ja schon gewohnt. Da gibt es Versionen die man irgendwie nie kaufen kann – mal muss man Club-Mitglied sein – eine andere gibt es nur bei einer Klamottenkette…immerhin gibt es für den DIN-Normal-Sammler auch eine schwarze Version, nahezu überall erhältlich – und die wurde auch hier gehört. Downloadcode – natürlich Fehlanzeige.
N‘ bisschen Detroit-Dreck gehört dazu, aber nichts was mir sauer aufgestoßen ist. Einfach locker abwischen.
Stoische Stilistiker der Netzmusik-Gemeinden werden Jack vielleicht zu viel Produktion vorwerfen und zu wenig Song-Writing. Legitim aber langweilig. Mir ist ein frischer Sound allemal lieber als eine Bestätigung, dass Jack White auch eine Kresse-Aussaat zu einem tiefsinnigen Song machen könnte. It’s just Rock ’n‘ Roll.

Nicht so analoge Links…
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Offizielle Third Man Website
Eine Stunde Doku von Apple Music – mit vielen Infos zum Background
Coverdesign von Jennifer Dionisio
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